„Wir können uns als Gewerkschaft nicht hinter die Politik der Regierung stellen“ (Delegierte auf dem ver.di-Bundeskongress)

Die Eskalation des Krieges geht weiter. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erhöht den Druck auf Deutschland. Berlin muss mehr für Kriegsausgaben aufbringen, auch auf Kosten der Ausgaben für Gesundheit, Bildung oder Infrastruktur. (Stellungnahme von Mitte September 2023)

Wir müssen uns auf einen langen Krieg in der Ukraine vorbereiten.“ (Stoltenberg) Die Vereinigten Staaten und die NATO erklären immer wieder, dass man den Krieg bis zur Niederlage von Russland führen muss.

Die USA wollen der Ukraine ATACMS-Raketen in Kürze liefern. Damit steigt der Druck auf die Regierung Scholz, endlich die Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu schicken.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat ein weiteres militärisches Hilfspaket von 400 Millionen Euro für die Ukraine angekündigt. Für die vornehmlich militärische Unterstützung der Ukraine hat Deutschland (nach Übersicht der Bundesregierung) in diesem Jahr insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro vorgesehen, nach zwei Milliarden Euro im Vorjahr. Für die Folgejahre gibt es Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von rund 10,5 Milliarden Euro.

Neben diesen Milliarden für Kriegsausgaben flutet die Regierung Scholz mit weit mehr als 30 Mrd. die Unternehmen zur Förderung ihrer Rendite und Profite.

Finanziert werden diese Milliardensummen für Krieg und Krise mit dem Spardiktat von Lindner: 30 Milliarden Kürzungen bei allen Sozial- und Infrastrukturausgaben. Kahlschlag gegen Krankenhäuser, Schulen, Kitas und Hochschulen; weitere Senkung der Reallöhne; kein Schutz vor Armut, sondern Ausweitung der Kinder- und Altersarmut – ein paar schändliche Cents bei den Mindestlöhnen; Maßnahmen zum Schutz der Mieter sind bei Scholz/ Gleiwitz nicht vorgesehen; Kürzungen für Kinder- und Jugendarbeit.

81 % der Bevölkerung lehnen die Kriegs- und soziale Kaputtsparpolitik der Regierung Scholz, Lindner, Habeck ab, die den Anforderungen des von Krisen erschütterten Kapitals folgt.

Alle Maßnahmen, die die Regierung ergreift, stoßen auf Ablehnung, Misstrauen und auch Wut“, haben wir in der letzten Ausgabe der „Sozialen Politik & Demokratie“ geschrieben.

Dafür zeugen die 100.000e auf den Demos zur Verteidigung der Krankenhäuser und Schulen…

Für seine kriegstreibende und sozialzerstörerische Politik will Scholz im einem “Deutschlandpakt“ Herrschaftskräfte in „einer nationalen Kraftanstrengung“ zusammenfassen (die Exekutiven der Länder und Kommunen, der Lobbyisten-Abgeordneten, etablierten Parteien, die Unternehmen…).

Dazu braucht Scholz auch die Einbindung der Gewerkschaften.

In seiner Rede vor den ver.di-Delegierten auf dem Bundeskongress verkündet er: „Es ist ein gutes Zeichen, dass wir in diesen Zeiten die sozialstaatlichen Sicherungen verbessert haben.“ (!?)

Diese für ihn übliche heuchlerische Schönfärberei können die Kolleg*innen, die in ihren gewerkschaftlichen Kämpfen für die Forderungen von 100.000en eintreten, die nicht wissen, wie sie bei der aktuellen Preisinflation über die Runden kommen sollen, nur als Verhöhnung zurückweisen.

Es ist eine Frechheit, dass Olaf Scholz hier reden durfte“. Er habe nur Geld für Sondervermögen der Bundeswehr. „Da war für uns halt nichts mehr übrig“ – so eine Delegierte aus dem Gesundheitsbereich.

„Wir sind nicht auf Regierungskurs“ (Werneke) (!?)

Die überwältigende Ablehnung der Regierung Scholz und ihrer Politik prägte auch den ver.di Bundeskongress (vom 17. bis 22. 9.).

Zum Bundeshaushalt erklärt der Bundesvorsitzende Frank Wernecke: „Hier steht die gesamte Bundesregierung und die sie tragenden Parteien insgesamt in der Verantwortung. Hier läuft … etwas grundsätzlich falsch.“

Nach der Abrechnung der Regierungspolitik in zahlreichen Beiträgen der Kolleg*innen und der mehrfach geäußerten Kritik, ver.di würde sich nicht klar genug von der Regierung abgrenzen, muss Werneke zugestehen: „Wir sind nicht
auf Regierungskurs“.

„Krieg ist unvereinbar mit Sozialstaat“, so ein Kollege. Wie aber steht die ver.di-Führung zur Kriegspolitik der Regierung? Das war über viele Stunden die Diskussion des Kongresses. Der Bundesvorstand wollte von den Delegierten die Zustimmung zur, wenn auch vorsichtig kritischen, Unterstützung der Waffenlieferungen und Sanktionspolitik. Auch das 2%-Ziel der Nato und das Aufrüstungsprogramm werden nur halbherzig kritisiert.

Auf dem Gewerkschaftsrat im Mai wurde der Antrag des Bundesvorstandes zur kritischen Begleitung der Kriegspolitik der Regierung noch bei einer Gegenstimme angenommen.

Doch in den folgenden Monaten vor dem Kongress haben sich Abertausende ver.di-Kolleg*innen in Demonstrationen und Veranstaltungen und auch in Anträgen für den Kongress engagiert für „Stopp des Krieges, der Waffenlieferungen, Sanktionen und Aufrüstung.“ Tausende haben in Aufrufen gefordert: Sagt Nein zum Krieg. Für einen Waffenstillstand! Viele haben die Initiative „Gewerkschafter sagen Nein zum Krieg – sagen Nein zum Krieg gegen den Sozialstaat“ mit ihrer Unterschrift unterstützt.

Ziel der Gewerkschaftsführung war es, mit dem Kongress geschlossen hinter der Kriegspolitik der Regierung Scholz zu stehen. Besondere Empörung fand z.B. die Empfehlung der Antragskommission, die Forderung an die Regierung,
„alles zu tun für einen sofortigen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen“, wie auch Stopp der Waffenlieferungen und Sanktionen, abzulehnen. Das traf auf den entschiedenen Widerstand eines Drittels der Delegierten.

Die Debatte in ver.di ist eröffnet.

Wir rufen alle Gliederungen von ver.di auf, diese Diskussion aufzunehmen und zu führen“, so der Appell von Delegierten. Damit verbinden sich die ver.di-Kolleg*innen, die auf dem Kongress für ein Nein ihrer Gewerkschaft zum Krieg gekämpft haben, mit den Hunderttausenden, die auf der Straße demonstrieren:

Statt Milliarden für den Kriegshaushalt: Milliarden für Krankenhäuser, Schulen, Wohnungen…!“ (zum ver.di-Bundeskongress siehe auch die Artikel auf den Seiten 16-21)

Sie entsprechen dem Willen der Millionen Arbeitnehmer*innen, der gesellschaftlichen Mehrheit, die in keiner der fünf etablierten Parteien eine politische Vertretung finden.

Diese Bewegung wird mehr und mehr eine Verbindung suchen zu den politischen Strömungen (z.B. in Was tun und um Sahra Wagenknecht), die für die Organisierung für eine Neue Partei eintreten: damit Schluss gemacht werden kann mit der Regierung Scholz und ihrer kriegstreibenden, sozialzerstörerischen und demokratiefeindlichen Politik. Das ist die Kraft, die den Kampf dafür führen kann.

Carla Boulboullé, 27. September 2023

 

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