Erklärung von Gewerkschaftern, Sozialdemokraten und politisch Engagierten, die sich am 15.2. zur bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz in Berlin versammelt haben

Wir, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und politisch Engagierte, die sich am 15.2. zur bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz in Berlin versammelt haben, vertreten den Widerstand und die Kämpfe

  • gegen die Privatisierung und das Kaputtsparen der kommunalen Daseinsvorsorge, von Krankenhäusern, Bildung, Nahverkehr…, unter dem Diktat der Schuldenbremse;
  • gegen die Flucht aus dem Flächentarifvertrag, die Ausweitung von Niedriglöhnen, prekärer Beschäftigung und gegen Arbeitsplatzvernichtung unter dem Gebot der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit.

Die große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung und Jugend wollte, dass Schluss ist mit dieser zerstörerischen Agenda-Politik. Sie hat das auch in allen Wahlen zum Ausdruck gebracht. Das traf besonders die SPD, deren Führung die Bankenrettungs- und Agenda-Politik nicht nur aus der Opposition heraus unterstützt und toleriert sondern in den Ländern auch selber umgesetzt hat, bis in die Kommunen hinein.

Die Mehrheit wollte den wirklichen Politikwechsel! Und das will sie auch weiterhin!

Wir haben voll Hoffnung die Erhebung der SPD-Mitgliederbasis erlebt und viele von uns haben mit ihr in der SPD gegen den Gang in die Große Koalition gekämpft, die von der Führung um Gabriel mit allen Mitteln und unter Versprechungen von Korrekturen an der Agenda vorangetrieben wurde. Denn:

„In der Großen Koalition und mit Merkel kann es einen solchen politischen Wechsel nicht geben!“

Tatsächlich werden im Koalitionsvertrag für das Regierungsprogramm erneut die ehernen Gesetze der Agenda-Politik definiert:

„Die konsequente Einhaltung der Schuldenbremse“ und die „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“!

Für die Schuldenbremse gibt es nur eine Ausnahme: die weitere Milliardenflutung der Banken.

Damit hat die neue Große Koalitionsregierung, in vollem Einverständnis mit der SPD-Verhandlungsführung, ihr wirkliches Programm enthüllt, das für Deutschland und für ganz Europa gilt:

Die Fortsetzung der Banken-Rettungs- und Agenda-Politik!

D.h. für die Arbeitnehmer und Völker Europas und in Deutschland die Fortsetzung von Sparzwang und Privatisierungen, des Sozial-, Lohn- und Arbeitsplatzabbaus, sowie der Zersetzung ihrer Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte. Die Einschränkung der Demokratie, der Souveränität und des Selbstbestimmungsrechts der Völker.

Es gibt erste Erfahrungen mit dieser Politik der Großen Koalition,

die von den Landesregierungen aller politischen Couleur umgesetzt und eigenständig praktiziert und den Kommunen aufgezwungen wird.

  • Diese Regierung verweigert die immer dringender eingeforderten Finanzmittel für die Rettung der Kommunen, der öffentlichen und sozialen Infrastruktur, und sie fördert weiterhin Tarifflucht, Lohnverzicht und der Prekarisierung von Arbeitnehmern und Jugendlichen.
  • Die einschneidenden Kürzungen der Rente und die Senkung des Rentenniveaus werden nicht aufgehoben, so dass sich eine steigende Zahl von Menschen weiterhin der Altersarmut ausgeliefert sieht.
  • Die Große Koalition hält fest an der Zwei-Klassen-Medizin und dem Kostendumping-Wettbewerb auf Kosten des Personals, der Versorgungsleistungen und Sachinvestitionen. In den Ländern geht die Privatisierung und Schließung von Krankenhäusern, die Streichung von Stellen und Betten weiter.

Der SPD-Wirtschaftsminister der Großen Koalition, Sigmar Gabriel, ruft die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften zum Maßhalten in der beginnenden Tarifrunde auf und will die Lohnerhöhungen der Produktivitätssteigerung unterordnen. Er verkündet eine politische Lohnleitlinie von ca. 2%, um „die Beschäftigung nicht zu gefährden.“

Die Gewerkschaften ver.di, GEW und GdP sowie der Beamtenbund DBB fordern für die 2,1 Millionen Beschäftigten des Bundes und der Kommunen eine 100 Euro Sockelanhebung plus 3,5% für eine „deutliche Reallohnsteigerung“ (das sind im Durchschnitt 6,7%, so ver.di-Vorsitzender Bsirske).

Der Bundesinnenminister Thomas de Maizière weist die-se Forderung schroff zurück, im Namen des Gebotes der „Haushalts- und Krisenkonsolidierung“ durch die Schuldenbremse. Die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände wiederum droht ver.di mit einem „Mehr an Ausgliederung (aus dem Flächentarifvertrag) und Privatisierung z.B. bei der Müllabfuhr und im Nahverkehr“.

Die Kollegen haben immer ihre Kampfbereitschaft bewiesen. Ihre vereinte, gewerkschaftlich organisierte Kampfkraft ist das einzige Mittel, um das Diktat der Schuldenbremse und auch die Lohnleitlinie zu durchbrechen und für alle Beschäftigten die geforderte Reallohnerhöhung zu erkämpfen. Einschließlich der Garantie für die volle Übertragung des Ergebnisses auf die Beamten; und der Garantie für den Verzicht auf alle angedrohten „Kompensationen“ wie Privatisierung und Ausgliederung.

In Berlin wollen die Beschäftigten ihre Gewerkschaft ver.di mit dem Kampf für ihre Forderungen der Verteidigung und Wiederherstellung der öffentlichen Daseins-vorsorge gegen das Spardiktat des SPD/CDU-Senats beauftragen. Sie brauchen gleichzeitig die Einheit mit den kommunalen Mandatsträgern, die gegen den Sparhaushalt kämpfen wollen, für die gemeinsame Mobilisierung der Beschäftigten und der Bevölkerung.

Bei der Deutschen Telekom sieht ver.di sich zu einem Arbeitskampf herausgefordert. Im Namen stärkerer Wettbewerbsfähigkeit macht das Unternehmen mit der Ankündigung, 4.000 – 6.000 Arbeitsplätze zu vernichten, Druck für Lohnverzicht, gegen die Forderung nach 5,5% mehr Lohn für die 97.000 Beschäftigten. Ist es da nicht das absolute Recht der Gewerkschaft, mit allen Kollegen vereint den Arbeitskampf für die Erhöhung des Reallohns und die Verteidigung aller Arbeitsplätze zu organisieren?

Die Beschäftigten von Amazon wie die angestellten Lehrer – vor allem in Berlin – kämpfen seit Monaten mit ihrer Gewerkschaft für einen Tarifvertrag, den das Unternehmen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit und der Berliner Senat, trotz aller formeller Ausflüchte, in sturer Unterwerfung unter den Sparzwang verweigern.

Gibt es einen anderen Weg als den Einsatz der gesamten Kampfkraft der Gewerkschaft ver.di für die einen und als die vereinte Organisierung des Kampfes aller Lehrer – Angestellte und Beamte – durch die Gewerkschaft GEW, um diese Weigerung zu überwinden?

Von einem allgemeinen Mindestlohn erhoffen sich vor allem die KollegInnen, die durch die Agenda-Politik aus tariflich und gesetzlich geschützten Normalarbeitsverhältnissen geworfen wurden oder von Anfang an ausgesperrt blieben, einen Schutz vor den schlimmsten Formen der Elendslöhne.

Der beabsichtigte Mindestlohn wird aber weder die Weiterexistenz von Billiglöhnen für viele Arbeitnehmer verhindern, noch die Vermehrung des Millionenheeres des „modernen“ Prekariats, besonders auch der Jugend. Und die Arbeitgeberverbände drängen darauf, dass die Mindestlohnanhebungen kompensiert werden müssen, z.B. durch Senkung der Lohnkosten an anderer Stelle, über die Erpressung von Öffnungsklauseln und Tarifflucht aus den Flächentarifverträgen.

Gibt es, um das zu verhindern, einen anderen Weg, als den gewerkschaftlichen und politischen Kampf für das Verbot jeglicher Form von Tarifflucht und für die Wiederherstellung der Tarifbindung durch allgemeinverbindliche Flächentarifverträge für alle Beschäftigten der Branche?

Geprägt von der historischen Erfahrung der deutschen Gewerkschaftsbewegung mit dem Faschismus, lehnen wir weiterhin jede Form staatlicher Lohnfestsetzung entschieden ab. In Verteidigung ihrer Unabhängigkeit können die Gewerkschaften nur in einer Mindestlohnkommission Platz nehmen, die eine wirklich demokratische Verhandlungskommission ist, in der sie in Augenhöhe, gestützt auf ihre Kampffähigkeit, verhandeln. Darin kann die Höhe des allgemeinen Mindestlohns erkämpft und die Allgemeinverbindlicherklärung des Verhandlungsergebnisses durch die Regierung beantragt werden. Die spätere Anpassung des allgemeinen tariflichen Mindestlohns muss sich an der Entwicklung des Tariflohns orientieren. Diese Fragen wollen wir in die Diskussion der Arbeiterbewegung einbringen, sowohl in den Gewerkschaften wie auch politisch.

Die TeilnehmerInnen der Arbeitnehmerkonferenz in Berlin am 15. Februar 2014 bekräftigen:

Wie nie zuvor ist es notwendig, die Unabhängigkeit unserer Gewerkschaften gegen den Druck zu verteidigen, sie den Zwängen der Schuldenbremse und der Wettbewerbsfähigkeit zu unterwerfen.

In jeder Stadt wollen wir die kontinuierliche Diskussion und den Meinungsaustausch unter GewerkschafterInnen, SozialdemokratInnen und politisch engagierten KollegInnen organisieren, die diese politischen Positionen teilen und dafür eintreten wollen,

  • dass der vereinte Kampf der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen für ihre unabhängigen Forderungen die Kraft schafft, um die Gebote der Schuldenbremse/Sparpolitik und der Wettbewerbsfähigkeit zu durchbrechen;
  • dass die Einheit der Arbeitnehmer und ihrer Organisationen verwirklicht wird, die sich erfolgreich gegen die Fortsetzung der Agenda-Politik durch die Regierung der Großen Koalition wie durch die Landesregierungen und auf kommunaler Ebene stemmen kann.

Der Kampf für das Nein zur Fortsetzung der Bankenrettungs- und Agenda-Politik durch die Große Koalition öffnet den Weg für das Nein zur EU und ihrer Verträge, zur Troika (aus EU, EZB und IWF) und ihren Programmen, welche diese Politik allen Ländern Europas aufzwingen und vom „Parlament“ der Europäischen Union dabei stets abgedeckt werden.

15. Februar 2014


[Die Erklärung mit den Erst-Unterzeichnern als PDF-Datei ...]


 

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