Aufruf zur bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz am 15. Februar 2014 in Berlin

Wir, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und politisch Engagierte aus Berlin,
• die gegen die verschärfte Fortsetzung der Euro-Rettungs- und Agenda-Politik unter der Regierung Merkel gekämpft haben;
• die sich in der SPD und auch in den Gewerkschaften für das „Nein zur Großen Koalition“ engagiert haben, laden ein zur
Bundesweiten Arbeitnehmerkonferenz am 15. Februar 2014 in Berlin
Diese Einladung stützt sich auf den Aufruf der 100 Delegierten der Arbeitnehmerkonferenz am 26. Januar 2013 in Berlin,
• die den Widerstand und die Kämpfe vertreten haben gegen das Kaputtsparen der Öffentlichen Daseinsvorsorge, gegen Krankenhäuser, Bildung, Nahverkehr…, die Ausblutung der Kommunen unter dem Druck der Schuldenbremse; gegen Lohnverzicht, Zersetzung der Flächentarifverträge, Ausweitung prekärer Beschäftigung und gegen Arbeitsplatzvernichtung im Namen der Wettbewerbsfähigkeit,
• an die Arbeitnehmer, Gewerkschafter, politisch Engagierten, sich mit ihnen zu versammeln und verstärkt gegen die Fortsetzung dieser Politik zu handeln, die dem Gebot der europäischen Verträge und der Troika aus EU, EZB, IWF folgt.

Auf drei Regionalkonferenzen am 15. September in Berlin, Düsseldorf und Frankfurt, eine Woche vor der Wahl, stand im Zentrum der Diskussion die Frage: „Was können wir tun, im Kampf gegen die Bankenrettung und die fortgesetzte Agenda-Politik, eventuell weitergeführt durch eine drohende Große Koalitionsregierung?“

Über 20 Gewerkschaftskollegen und Sozialdemokraten aus Berlin ergriffen nach den Wahlen am 23.9. die Initiative für eine Erklärung und eine bundesweite Unterschriftensammlung:

„Nein zur Großen Koalition! – Mit Merkel kann es keinen Politikwechsel geben!
Die SPD darf sich nicht zum Steigbügelhalter machen für eine weitere Kanzlerschaft Merkels
für die Fortsetzung der Euro- und Banken-Rettungspolitik, wofür die Arbeitnehmer und Völker Europas und in Deutschland mit einer zerstörerischen Agenda bezahlen müssen: mit härteren Spardiktaten und Privatisierungen, mit Sozial-, Arbeitsplatz- und Lohnabbau und mit der Zersetzung ihrer Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte.“

Dieser Wille zum Nein hat seinen Ausdruck in der Erhebung der SPD-Mitgliederbasis, einer breiten Schicht von Funktionärsträgern und SPD-Gliederungen für das Nein zum Gang der SPD in die Große Koalition gefunden. Und dieser Wille hat auch Ausdruck gefunden in allen gewerkschaftlichen Kämpfen, den zunehmenden Streiks und Widerstandsbewegungen gegen die praktizierte Agenda-Politik, gegen die Deregulierung von Tarifverträgen und Lohndumping; gegen die Ka-puttspar-Politik gegenüber Ländern und Kommunen.

Gewerkschaftskollegen, Sozialdemokraten und poli-tisch Engagierte haben auf der Regionalkonferenz am 15.9. in Berlin vorgeschlagen, die Diskussion, die wie in Berlin auf den Regionalkonferenzen in Düsseldorf und Frankfurt, geführt wurde, gemeinsam auf einer weiteren Arbeitnehmerkonferenz nach den Wahlen fortzusetzen.

Mit der Konstituierung der Großen Koalition unter der Kanzlerin Merkel wird eine neue Phase in der Entwicklung der politischen Situation eingeleitet.

In der Präambel des Koalitionsvertrages werden die ehernen Gesetze der Agenda-Politik definiert: „Die konsequente Einhaltung der Schuldenbremse“ und die Stärkung der „Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft“.

Das sind die Gebote der Agenda-Reformpolitik, die in Deutschland seit 10 Jahren eine Spur der sozialen Verwüstung hinterlassen haben. Von diesen Geboten werden die beabsichtigten Korrekturen an der bisherigen Agenda-Politik einerseits überrollt, wäh-rend andere sich als trügerisch entlarven. Mit einer Ausnahme: die Schuldenbremse gilt nicht für die weiteren Milliardenfluten zur Rettung der Banken. Mit diesen Geboten enthüllt die Große Koalitionsre-gierung unter Merkel mit dem vollen Einverständnis der SPD-Verhandlungsführung ihr wirkliches Programm: die Fortsetzung der Euro-Rettungs- und Agenda-Politik.

Die beabsichtigten Korrekturmaßnahmen verhindern nicht die Ausweitung der Altersarmut, nicht die Privatisierung und Schließung von Krankenhäusern, nicht die Vermehrung des Millionenheeres des „modernen“ Prekariats, vor allem auch in der Jugend.

Die Form des beabsichtigten Mindestlohns hebt für viele den Elendslohn an, hält sie aber im Armutslohn fest. Er verhindert nicht die Weiterexistenz von Lohn-dumping und Billiglöhnen für viele andere. Um diese Lohnanhebung zu kompensieren verstärken die Arbeitgeber schon den Druck und die Praxis der Flucht aus den Flächentarifverträgen und der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse in jeder Form, auch um die anderen „lästigen Regulierungskorrekturen“ auszuhebeln.

  • Die Beschäftigten im Einzelhandel kämpfen mit ihrer Gewerkschaft gegen die Fortsetzung dieser Deregulierungspolitik und haben einen ersten Erfolg gegen die Zerstörung ihres Tarifvertragssystems erzielt.
  • Die Beschäftigten von Amazon und die angestellten Lehrer stehen seit Monaten mit ihren Gewerkschaften in Streikaktionen für die Befreiung aus Billig- und Niedrigentlohnung und prekären Arbeitsverhältnissen, für einen gewerkschaftlich garantierten Tarifvertrag.
  • Ein großer Teil der Arbeitnehmerschaft bereitet sich mit ihren Gewerkschaften auf den Kampf gegen Lohnverzicht und für Reallohnerhöhung in den kommenden Tarifverhandlungen vor.

Mit diesen Kämpfen zeigen sie den Weg für wirkliche Korrekturen an der Agenda.

Haben sie nicht Recht, wenn sie sich nicht auf den Aufruf der Gewerkschaftsführung verlassen, die im Namen von Korrekturen an der Agenda für den Gang der SPD in die Große Koalition eingetreten ist – und wofür diese nicht im Namen der Millionen Mitglieder sprechen konnten.
Diese Kämpfe haben vielmehr Unterstützung durch die massive Erhebung der SPD-Mitgliederbasis gegen den Kurs der Führung in die Große Koalition erhalten.
Wir verteidigen die Forderungen der Arbeitnehmer und Jugend und stehen mit ihnen im Kampf mit unseren Gewerkschaften für den Erhalt und die Rückeroberung von tariflich garantierten und gesetzlich geschützten Arbeitsverhältnissen. Wie nie zuvor ist es notwendig, die Unabhängigkeit unserer Gewerkschaften gegen den Druck zu verteidigen, sie den Geboten der Schuldenbremse und der Wettbewerbsfähigkeit zu unterwerfen.

Mandatiert von der Arbeitnehmerkonferenz am 26. Januar 2013 hatte eine starke Delegation aus Deutschland an der europäischen Arbeiterkonferenz in Tarragona am 15. – 17. März 2013 teilgenommen. Auf Vorschlag deutscher und spanischer Kollegen hat die POI, die unabhängige Arbeiterpartei Frankreichs, jetzt eingeladen zu einer neuen europäischen Arbeiterkonferenz in Paris am 1./2. März.

Zur Vorbereitung der Konferenz haben KollegInnen aus 12 Ländern Europas, aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritanni-en, Irland, Italien, Portugal, Rumänien, Slowenien und Spanien ein Komitee gebildet.

Mit der Formulierung der anfangs zitierten Gesetze in der Präambel des Koalitionsvertrages hat sich die Re-gierung der Großen Koalition unter Merkel der grenzenlosen Bankenrettung, der Sparpolitik und der Deregulierung und Arbeitsmarktreformen verschrieben. Mit ihrer Unterwerfung unter die Anforderungen des Finanzkapitals für die Eurorettung macht sie sich zum Träger für die Umsetzung der Politik der Troika aus EU, EZB und IWF in ganz Europa – wie auch in Deutschland.

„Seit fünf Jahren hat sich wiederholt in spektakulärer Weise der Widerstand der Arbeitnehmer und Völker gezeigt, in Streiks (bis hin zu Generalstreiks) und Massendemonstrationen…“

Diese europäische Konferenz wird ein Stützpunkt sein für unseren Kampf gegen die Fortsetzung dieser Politik in Deutschland. Deshalb begrüßen wir sie und schlagen vor, auf der Arbeitnehmerkonferenz eine erneut eine starke Delegation aus Deutschland zu mandatieren, um unsere Bemühungen mit den Delegationen der anderen europäischen Länder zu verbinden und zu helfen, die vereinte Kampfkraft der Arbeiterschaft und ihrer Organisationen und der Jugend in jedem Land aufzubauen und untereinander zu koordinieren, um so im vereinten Kampf in der Lage zu sein, den politischen Diktaten der Troika und der Verträge der EU ein Ende zu setzen.

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