„Wir sind quasi Kriegspartei“

(Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Die Grünen)

Am 26. April haben die USA 40 Länder auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein eingeladen, auf deutschem Boden.

Es handelt sich nicht um ein NATO-Treffen, der NATO-Gipfel findet am 29. und 30. Juni in Madrid statt. Es handelt sich um ein von den USA initiiertes Treffen. Die meisten der eingeladenen Länder sind nicht Mitglied der NATO.

Das Treffen auf deutschem Boden hatte – nach draußen gesprochen – die Aufgabe, über die Frage des Krieges in der Ukraine zu diskutieren! Tatsächlich aber geht es darum, die US-Kriegspolitik zu bekräftigen und allen europäischen Ländern, allen voran Deutschland als führender europäischer Industriemacht, ihren Platz darin zuzuweisen.

Der US-Außenminister Antony Blinken hat bei einem Besuch in Kiew am 24.4. das Ziel, das die USA in diesem Krieg verfolgt, klar benannt. Es gehe darum, „…Russland zu schwächen“ und künftige Invasionen zu verhindern. Dafür müsse der Krieg fortgesetzt und „Himmel und Erde“ in Bewegung gesetzt werden, so der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Ramstein.

Darum die massiven Waffenlieferungen. „Dieser Kampf ist nicht billig“, erklärt US-Präsident Biden mit der Ankündigung weiterer 33 Mrd. US-Dollar zur Kriegsunterstützung. Zusammen mit den 14 Milliarden Dollar, die der US-Kongress bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffs gebilligt hat, nähert sich die Summe, mit der die USA aktuell den Krieg finanziert, der 50-Milliarden-Marke.

Das Schicksal des ukrainischen Volkes selbst spielt keine Rolle.

Der Krieg wird nicht geführt im Interesse der Völker, weder des ukrainischen, russischen noch eines anderen Volkes. Er wird geführt im Interesse von Putins Oligarchenfraktion und von der Kriegsmaschinerie der NATO unter dem Kommando des US-Imperialismus, im Interesse der dominierenden US-Konzerne und Multis und deren Kontrolle über Öl, Gas und andere Rohstoffe.

Der US-Imperialismus diktiert allen Ländern Europas die verstärkte Aufrüstung des Kriegspotentials und fordert Entschlossenheit für ein Energie-Embargo. Das Treffen in Ramstein eignete sich besonders dafür, den zögernden Bundeskanzler Scholz zu zwingen, der Lieferung schwerer Waffen im Krieg gegen Russland zuzustimmen, und damit der Ausweitung des Krieges; und endlich für das Energie-Embargo zu entscheiden.

Und Scholz hat sich dem US-Diktat gebeugt, das vehement aus den Reihen der SPD wie der Ampel-Partner, der Grünen und der FDP, unterstützt wird:

Das in Deutschland traditionelle Verbot von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete wurde aufgehoben. „Wir werden uns Stück für Stück weiterbewegen“. (Scholz)

Was mit Hilfe aller Medien verschwiegen werden soll: hinter der militärischen Offensive steht der Wirtschafts- und Handelskrieg. Es geht um den Konkurrenzkampf der kriegsführenden Regierungen für die Kontrolle über die Rohstoffe, Öl- und Gasproduktion und Pipelines.

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich alle dem Diktat der US-Regierung und ihren imperialistischen Interessen unterworfen. Dass die Lieferung von zusätzlichem US-ameri-kanischen Flüssiggas nach Europa in den kommenden Jahren auf 50 Milliarden Kubikmeter jährlich steigen soll, wurde mit der EU-Kommission vereinbart.

Biden betonte, er wisse, dass ein europäisches Embargo gegen russisches Gas Kosten für die EU mit sich bringe, doch „america first“ bleibt das Leitmotiv..

Die Folgen des Wirtschaftskrieges des US-Imperialismus, zu dessen Waffen das Embargo zählt, treffen besonders Deutschland.

Die Abermilliarden für Aufrüstung und Waffen fehlen schon für produktive Investitionen in die Industrie und das Embargo bedroht neben den Großkonzernen die bedeutende Schicht der mittelständischen Metall- und Chemieindustrie.

DGB und Unternehmerverbände warnen vor einer Deindustrialisierung.

Und der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, warnt vor dem Gas-Embargo. „Das würde in zentralen Bereichen zweieinhalb Jahre Produktionsstillstand bedeuten“. Und das „wäre das Ende der Grundstoffproduktion in Deutschland.“ Das hätte auch massive Auswirkungen auf die Beschäftigung: „Da sind wir schnell bei zweieinhalb oder drei Millionen zusätzlichen Arbeitslosen.“ (in Die Welt, 9.4.2022)

Habeck rechnet im Falle eines Gas-Boykotts Russlands mit einer Rezession in Deutschland. Arbeitsminister Hubertus Heil warnt: „Im Schnitt rechnen wir in diesem Jahr mit 590.000 Kurzarbeitern, das Wirtschaftswachstum liegt nach der Prognose unserer Forscher bei 1,4 bis 1,5 Prozent …“ (in: „Bild am Sonntag“). „Das Ganze steht aber unter dem Vorbehalt, dass sich der Krieg nicht ausweitet und die Energieversorgung steht.“

Arbeitgeberpräsident Arndt Kirchhoff erläutert im Tagesspiegel vom 21. März: „Wir brauchen das russische Gas nicht unbedingt für die Heizung, das kriegen wir notfalls auch über andere Bezugsquellen noch hin. Wir brauchen die russischen Gasmengen derzeit aber noch zwingend als Prozessgas in vielen Bereichen unserer Industrie, da gibt es keine ausreichenden Alternativen. Kappen wir hier russische Lieferungen, dann reden wir über massive Wohlstands- und Arbeitsplatzverluste im ganzen Land.“

„Wir werden ärmer werden.“

Zu den explosiv steigenden Preisen für Strom und Gas erklärt Wirtschaftsminister Habeck (Grüne): „Wir sind quasi Kriegspartei, Wirtschaftskriegspartei, wir zahlen einen hohen Preis. … Wir werden ärmer werden.“

Und Habeck ruft die unter der höchsten Inflation seit 40 Jahren und Reallohnverlust ächzende Bevölkerung zum Energiesparen auf! (z.B. Ostern das Fahrrad nehmen, statt Auto – „das ärgert Putin“!). In den Ohren der betroffenen Massen klingt das wie Hohn und Zynismus.

100 Mrd. für den Kriegshaushalt, Milliarden und Abermilliarden für die Rüstungskonzerne und für Subventionen an Energiekonzerne und Autoindustrie zur Rettung von Profiten und Renditen der Finanzinvestoren. Die Kosten für diese Militarisierungspolitik wie auch schon für die Pandemie und Energiewende werden auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt.

Diese will die Regierung Scholz nun mit einem „Entlastungspaket“ abspeisen: z.B. mit einer steuerpflichtigen einmaligen Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro. Rentner sind davon ausgeschlossen – es sei denn sie haben einen Midi-Job mit Gehalt zwischen 450 und 1300 Euro monatlich.

Mit einem Kinderbonus für alle Familien, einmalig 100 Euro pro Kind. Die Corona-Einmalzahlung für Hartz-IV-Empfänger wird damit auf 200 Euro verdoppelt, was angesichts der Teuerung der Heizung- und Wohnungskosten, sowie der Lebensmittelpreise „für einkommensschwache Haushalte völlig unzureichend“ ist, kritisiert der Sozialverband. „Die Monat für Monat dahinschmelzende Kaufkraft treibt die Ärmsten gerade buchstäblich an den Rand der Verzweiflung“. Verarmung bedroht immer mehr Menschen, bis weit in die Schicht der Industriearbeiterschaft. Die Schlangen vor den Tafeln werden länger und länger.

Diese soziale Spaltung der Gesellschaft lässt eine soziale Sprengladung entstehen, die in nächster Zeit zur Explosion drängt. Die Angst davor lässt Regierung und herrschende Kräfte immer penetranter ihre Bemühungen um „sozialen Ausgleich“ beschwören.

1. Mai: „Nie wieder Krieg!“ und „für einen solidarischen Sozialstaat“ steht im Aufruf der DGB-Gewerkschaften zu den Demonstrationen am 1. Mai. Doch welche Antwort verlangt das?

Der Politische Arbeitskreis (PAK), der in Verbindung mit dieser Zeitung gewerkschaftlich und politisch engagierte Kolleg*innen gruppiert, schreibt in seinem Flugblatt zum 1. Mai:

„Den Kampf gegen den Krieg kann die Arbeiterschaft nur führen, indem sie ihre sozialen Errungenschaften gegen die Zerstörungsoffensive verteidigt.

Die Zeit des Krieges – wie zuvor schon die Zeit der Pandemie – sei nicht die Zeit für Forderungen – so das Diktum von Kanzler Scholz! Es sei die Zeit der Nationalen Einheit von Regierung und Volk für Opfer und Verzicht. Es sei die Zeit der Regierungsdiktate gegen Reallohn und Tariflohn, Deregulierung, Zersetzung der Flächentarifverträge und der extremen Ausweitung der Minijobs und Armutslöhne.“ Und die Arbeiterschaft macht „die Erfahrung, dass sich ihre Gewerkschaftsspitzen „in diesen Zeiten des Krieges“ dem von Scholz geforderten Verzicht auf Lohnforderungen gegen Inflation und Reallohnverlust unterwerfen. Weil diese Forderungen die Inflation weiter anheizen.“

Die Politik des Kaputtsparens wird als Folge der Kosten der Pandemie und des Krieges noch verschärft: die Schließungen von Krankenhäusern, schmerzliche Kürzungen bei Schulen und Kommunen werden fortgesetzt.

Die arbeitende Bevölkerung und Jugend kann und will nicht auf ihre Forderungen verzichten, auf die Verteidigung ihrer sozialen Lebensgrundlagen.

Hunderttausende haben gegen den Krieg und die Aufrüstungspläne demonstriert. Und sie erheben sich gegen Lohndumping, Prekarisierung und die explosiven Preiserhöhungen.

 

Sie demonstrieren am 1-. Mai unter der Losung:

  • Nieder mit dem Krieg!
  • Weder Putin – noch NATO!
  • Nein zu 100-Milliarden für den Kriegshaushalt!
  • 100 Milliarden für Krankenhäuser, Schulen, Kommunen….

In dem Tarifkampf der 330.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst/Kita mobilisieren sich und streiken die Kolleg*innen für die Verteidigung des Reallohns, der Kaufkraft und für mehr Personal.

„Milliarden für die Bildung – nicht für den Krieg: Ihr spart unsere Zukunft kaputt“, fordern Schüler auf einem Transparent.

Bundesweit kämpfen die Krankenhausbeschäftigten wie zurzeit an den Uni-Kliniken in NRW für mehr Personal. An vielen Kliniken kämpfen sie, wie in Brandenburg und Berlin, für den TVöD für alle.

Ärzte streiken bundesweit für verbesserte Arbeitsbedingungen, mehr Personal und mehr Lohn.

„Das sind Beispiele der Antwort der Arbeiterschaft auf die Politik von Scholz. Sie akzeptieren nicht, dass diese Kriegszeit die Zeit des Verzichts und der Opfer sein soll und schon gar nicht der angeblich notwendigen Gemeinsamkeit von Volk und Regierung für den angeblichen Kampf gegen die Pandemie und den Krieg.“ (aus dem Flugblatt des PAK)

Die Politischen Arbeitskreise laden ein zur Diskussion: engagieren wir uns gemeinsam für den Aufbau einer politischen Widerstandskraft der Arbeiterschaft und Jugend.

Carla Boulboullé

 

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