Beginn einer neuen Ära der BRD – Die „Zeitenwende“ „Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinentes“ (Bundeskanzler Scholz in seiner Regierungserklärung vom 27.2.22).

„Wir erleben eine der dunkelsten Stunden seit Ende des Zweiten Weltkriegs. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft herrscht erneut Krieg.“ (DGB-Erklärung, 25.2.2022) Die „Zeitenwende“ beendet eine seit 1945 andauernde „pazifistische“ Phase des deutschen Imperialismus und verwandelt den bisherigen Verteidigungshaushalt in einen Haushalt zur Kriegsführung.

In einem autoritären Akt über das Parlament hinweg präsentiert Scholz mit dem 100 Mrd.-Paket für die Aufrüstung der Bundeswehr dem deutschen Volk, ergänzend zum Programm der verschärften sozialen Zerstörungspolitik mit der Agenda 2.0, jetzt das  Programm der Militarisierung der BRD. Ergänzt wird das Paket noch durch die von den US-Regierungen – Obama, Trump und Biden – diktierte Erhöhung der jährlichen Militär-Ausgaben für die Bundeswehr auf 2 % plus des BIP.

Schon die am 26. Februar getroffene Entscheidung der Scholz-Regierung, Waffen an die Ukraine zu liefern, ist ein Bruch mit der bisherigen außenpolitischen Tradition Nachkriegsdeutschlands, einer Tradition, die dem Schwur des deutschen Volkes von 1945 „Nie wieder Krieg!“ „Nie wieder deutsche Soldaten und Waffen auf fremden Boden!“ verpflichtet war. „Keine Waffen in Kriegsgebiete“ – wobei nicht verschwiegen werden soll, dass es in der Praxis genügend Ausnahmen gab. So die Lieferung von Panzern nach Saudi-Arabien, das in Jemen einen blutigen Krieg führt oder zur Unterstützung der israelischen Besatzungsmacht, unter der das palästinensische Volk leidet….

In der Nacht zum 24. Februar befahl Putin den Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine. Kiew und die wichtigsten Großstädte werden bombardiert. Hunderttausende werden von Bomben und Terror in die Flucht getrieben.

Unerträgliche Bilder, erschütternde Schreckensberichte, die Drohung, dass aus diesem Krieg ein Flächenbrand entstehen kann. Weder das ukrainische noch das russische Volk, noch überhaupt die Völker in Europa wollen diesen Krieg.

An diesem Entsetzen über den Krieg setzt Olaf Scholz in seiner o.g. Regierungserklärung an: „Krieg in Europa. Viele von ihnen verleihen ihrem Entsetzen Ausdruck.“ „Wir erleben eine Zeitenwende. Und das bedeutet: Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor.“

Es entbehrt nicht eines gewissen Zynismus, wenn Scholz die vielen 100.000e Demonstrant*innen in Deutschland, die Nein sagen zum Krieg in der Ukraine, als Zeugen für seinen weiteren Kurs als Kriegskanzler missbrauchen will.

Er verliert kein Wort zu der aggressiven Politik der Nato, die als Kriegsmaschinerie des US – Imperialismus vor allem mit der Osterweiterung die Militarisierung Europas vorangetrieben und Russland eingekreist hat. Erinnert sei auch daran, dass die USA im Namen der Verurteilung der zu großen Abhängigkeit der EU vom russischen Gas den Stopp von Nord Stream II erzwungen hat, um die Lieferungen des teuren Fracking-Gases aus den USA zu forcieren.

Kein Wort zu der Offensive der EU, die über das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine und deren Beitritt zur EU für das Kapital den Weg nicht nur in den ukrainischen, sondern auch in den russischen Markt öffnen will. Diese EU-Bürokratie verwandelt sich in einen kriegerischen Waffenlieferanten an die Ukraine und tritt den Willen der Völker in Europa mit Militärstiefeln. (s. Artikel S. 16)

Die EU, und die deutsche Regierung als deren stärkste Wirtschaftsmacht, greifen mit Waffenlieferungen und mit der Verhängung von Sanktionen gegen Russland in den Krieg ein. Damit werden sie zu Parteigängern des Krieges.

Olaf Scholz bekennt sich grundsätzlich zur „Beistandspflicht in der Nato“ als einer „großen Herausforderung“. Konkret heißt das in unverblümter Kriegsrhetorik: „Präsident Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen.“

Außenpolitik unter Einsatz militärischer Mittel. „Wenn wir wollen, dass diese letzten 30 Jahre keine historische Ausnahme bleiben, dann müssen wir alles tun für den Zusammenhalt der Europäischen Union, für die Stärke der Nato …weltweit.“

100 Milliarden Euro für Aufrüstung…

Scholz: „Klar ist: Wir müssen deutlich mehr investieren in die Sicherheit unseres Landes, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen.“

Dafür bringt er im Einvernehmen mit Finanzminister Lindner (FDP) die 100-Milliarden Aufrüstung als  „Sondervermögen Bundeswehr“ auf den Weg.

Dieses „Sondervermögen Bundeswehr“  ist, wie schon der „Energie- und Klimafonds“, außerhalb des Bundeshaushaltes angesiedelt und unterliegt damit auch nicht der Schuldenbremse. Deshalb soll es im Grundgesetz festgeschrieben werden.

Wie alle diese Konstruktionen nimmt das „Sondervermögen Bundeswehr“ seine Kredite auf den Finanzmärkten auf, eine neue Quelle zur Bereicherung für das Finanzkapital tut sich auf.

Dazu kommt, dass Scholz „von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“ will. Womit er die von den US-Regierungen – Obama, Trump und Biden – angemahnten Rüstungsausgaben von 2 % des BIP übererfüllt.

Mit den über 70 Milliarden US Dollar jährlich trägt die BRD bei zu einer Welle der Aufrüstung aller Länder in Europa, darunter Russland mit 62 Milliarden Dollar. Diese Welle findet ihren Höhepunkt in den 768 Milliarden Dollar für das Militär, die Ende 2021 der amerikanische Kongress bewilligte.

… und 20 Euro mehr im Monat für von Armut betroffene Kinder

Während die Rüstungsmilliarden die Börsenkurse der Rüstungsindustrie explodieren lassen, befördern sie trotz aller Haushaltstricks die Staatsverschuldung auf Rekordhöhe.

Zugleich explodieren allerdings, ebenfalls in Folge des Kriegs, die Preise für Energie, Rohstoffe und Lebensmittel. Auftrag der Regierung Scholz ist es, die Schulden auf die Bevölkerung abzuwälzen, die schon hart getroffen wird von Reallohnverlust, den Kosten von „Energiewende“ und „Klimaschutz“.

Fast täglich appelliert Scholz an die Gemeinsamkeit und Opferbereitschaft von Volk und Regierung für die Solidarität mit dem Volk der Ukraine und, unterstützt von den Unternehmerverbänden, macht er zugleich klar, dass „jetzt nicht die Zeit ist, um Forderungen zu stellen.“

100.000de demonstrieren gegen Krieg und Aufrüstung

Wie schon im Namen des Kampfes gegen die „Pandemie“, als die Merkel-Regierung zur nationalen Einheit und Gemeinsamkeit aufgerufen hat, soll sich jetzt das gesamte Volk „in einer großen nationalen Kraftanstrengung“ (Scholz) vereinen im Krieg gegen Putin, zum Schutz „unserer Freiheit und unserer Demokratie“.

Aber die Kriegspolitik der Regierung bleibt nicht ohne Widerspruch.

Unter den Abgeordneten und in den Parteien werden Stimmen des Widerstandes laut, die sich der diktierten Gemeinsamkeit widersetzen. Vor allem gegen die 100 Milliarden Aufrüstung protestieren Abgeordnete der SPD.

Die Linkspartei ist gespalten. Die Fraktionsführung unterstützte zunächst generell die Regierungspolitik, verurteilte aber die deutsche Aufrüstung und die Waffenlieferung.

Eine Abgeordnetengruppe um Wagenknecht verurteilt in ihrer „politischen Erklärung“ die volle Unterstützung der Regierungspolitik durch SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/ DIE GRÜNEN und FDP. Sie verurteilt die deutsche Aufrüstung und Waffenlieferung sowie die Sanktionen gegen Russland und jede Ausweitung der NATO (die Integration der Ukraine in die NATO).

Der DGB wendet sich in seiner ersten Erklärung scharf gegen die deutsche Aufrüstung und Waffenlieferung. In ver.di kursieren Diskussionstexte, in denen die folgenden Positionen vertreten werden: Die russische Regierung wird aufgefordert, „unverzüglich alle Angriffe einzustellen“, „Solidarität … mit den Menschen in der Ukraine“ – „Ausdrücklich sprechen wir uns aus gegen einen Sonderetat von 100 Mrd. Euro für die Aufrüstung und die Erhöhung der jährlichen Ausgaben für die Bundeswehr auf 2 % des BIP und mehr.“ „Wir sagen Nein zu Sanktionen, die immer die Bevölkerung treffen. Wir sagen Nein zur Lieferung von Rüstung und Waffen in das Kriegsgebiet.“ Zum Schluss: „Wir rufen alle Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auf, gemeinsam gegen diesen Krieg auf die Straße zu ziehen.“

Nach der Welle der spontanen Massendemonstrationen Anfang des Jahres gegen die Corona Politik der Regierung haben sich jetzt die Volksmassen in ganz Europa und besonders in Deutschland gegen den Krieg mobilisiert.

Nach einem Aufruf von DGB und ver.di zogen um den 27.2.bis zu 500.000 Menschen in Berlin auf die Straße, 250.000 in Köln und spontan 45.000 in München nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Über 170.000 folgten am 3. März in mehr als 40 Städten deutschlandweit dem Aufruf von Fridays for Future „gegen den Krieg“.

Die Demonstranten begrüßen und unterstützen alle russischen Bürger*innen, die gegen diesen Krieg offen protestieren und dafür Verfolgung und Verhaftungen erleiden.

Sie demonstrieren:

  • für den sofortigen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine,
  • für den Stopp der Bombardierungen
  • Frieden für die Ukraine und in ganz Europa!

Und vor allem:

  • Weg mit der 100 Milliarden Aufrüstung,
  • Stopp der deutschen Waffenlieferung
  • Nein zu Sanktionen gegen Russland.

Die Politischen Arbeitskreise in Verbindung mit der Zeitung „Soziale Politik und Demokratie“ haben für solche Forderungen eingegriffen.

In dieser Ausgabe drucken wir verschiedene, auch zum Teil unterschiedliche Beiträge zur Diskussion ab, die uns anlässlich der Invasion der russischen Truppen in die Ukraine erreicht haben. Über sie, wie weitere Stellungnahmen und besonders auch die o.g. Forderungen und die z.B. in den Briefen der ISA, der deutschen Sektion der IV. Internationale, entwickelten, werden wir in den Politischen Arbeitskreisen weiter diskutieren.

Carla Boulboullé  / Gotthard Krupp, 7.3.2022

 

Comments are closed.