Die Aufgabe der Gewerkschaften

Aus Furcht vor dem wirtschaftlichen Absturz fordern die Unternehmensverbände von der Großen Koalition immer neue Milliarden für die Verteidigung ihres Profits und stellen dafür auch die Schuldenbremse in Frage.

Seinerseits fordert Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, 450 Milliarden, um in zehn Jahren den Investitionsstau abzubauen. Dafür sollte die Schuldenbremse aufgehoben und Kredite aufgenommen werden. Er nennt für die Kommunen 138 Milliarden, den Rest für Wohnungen, Bildung und Verkehr. Was in dieser Summe vernachlässigt wird, sind die ca. 10 Milliarden zur Finanzierung des fehlenden Krankenhauspersonals.

Derartige Forderungen weist Scholz energisch zurück. Scholz als profiliertester Helfer Schröders für die Einführung der Agenda-Politik hält eisern fest an der Schuldenbremse als dem wichtigsten Werkzeug für Sozialabbau, Kaputtsparen von Schulen und Krankenhäusern, Streichung und Prekarisierung ihres Personals.

Andererseits kommt er bereitwillig dem Drängen des Kapitals entgegen. Sein Gesetzesentwurf zum Soli sieht eine massive Entlastung für die Reichen vor. Nur die obersten zehn Prozent der Steuerzahler (im Ergebnis sogar nur ca. 4%), also Spitzenverdiener und Millionäre, müssen zunächst noch zahlen. Milliardären erspart er großzügig Erbschaftssteuer, deren Aufkommen mit erbärmlich geringen Summen vor sich hindümpelt.

Aus dem Haushalt fließen Rekordinvestitionen an die Unternehmen für die Energiewende und im Namen der Digitalisierung in die Forschung und Entwicklung von Zukunftstechnologien, milliardenschwere Subventionen gehen allein an die Autoindustrie – bei gleichzeitig größten Steuersenkungen seit mehr als 10 Jahren.

Unter der Schuldenbremse: Sozialabbau, Kaputtsparen von Kommunen, Schulen und Krankenhäusern…

Auf die Finanznot der Kommunen antwortet die Großen Koalition jetzt vor den bevorstehenden Landtagswahlen mit vagen Versprechungen von kosmetischen Maßnahmen ihrer Entschuldung. Zur Mietpreisexplosion antwortet sie mit einer minimal korrigierten Fortschreibung der sog. Mietpreisbremse, die nach wie vor weder die Immobilien-Spekulanten bremsen noch den dramatisch zunehmenden Mangel an bezahlbarem angemessenem Wohnraum beseitigen kann.

Trotz der hektischen Versuche – vor allem von SPD-Ministern – ihre Parteien in der Großen Koalition durch trügerische Korrekturen an der Agenda mit einem sozialen Feigenblatt zu versorgen, vertieft sich die Ablehnung und Wut der gesellschaftlichen Mehrheit gegen die GroKo und besonders gegen die SPD. Umso unverständlicher für die Millionen Mitglieder und die gesamte Arbeitnehmerschaft ist die Haltung der Gewerkschaftsführung, die solche „Korrekturen“ als Politik im Interesse der Arbeitnehmer präsentieren und die Große Koalition für ihre beispiellose arbeitnehmerfreundliche Politik loben.

Auf den ursprünglichen – und später wieder fallen gelassenen – Aufruf der ver.di-Führung zum bundesweiten Tarifkampf für die Finanzierung der 162.000 fehlenden Personalstellen im Krankenhaus mit 10-12 Mrd. Euro hat CDU-Minister Spahn mit einem angeblichen Pflegepersonal-Stärkungsgesetz geantwortet, das nach Beurteilung selbst von ver.di nur eine Verschlimmerung der Personalnot und eine Beschleunigung der Privatisierung und Schließung von Krankenhäusern provoziert.

Und doch bettelt die Führung bei der Großen Koalition immer noch um ein Personalbemessungsgesetz und arbeitet mit der Regierung zusammen für weitere Brosamen. Während sie die einzelnen Krankenhäuser in Streiks für mehr Personal allein lässt. Kein Zweifel, die Kolleg*innen werden den ver.di Gewerkschaftskongress vom 22. – 28.9. nutzen, um darüber zu diskutieren, wie sie ihre Gewerkschaft zurückerobern können, um den gemeinsamen Kampf aller Krankenhausbeschäftigten – gestützt auf deren Streikbereitschaft – für die Finanzierung der 162.00 zusätzlichen Personalstellen durch zusätzliche Finanzmittel der Bundesregierung, die das Personal jahrelang weggespart hat, zu organisieren.

Der Industrie droht „Gesundschrumpfen, Verschwinden, Insolvenz“

50.000 Arbeitsplätze in Baden-Württemberg sind von der Autoindustrie abhängig. Zur Krise in dieser Industrie prophezeit das car-Institut der Universität Duisburg/Essen: „Der Abschwung hat erst begonnen, und er wird heftig sein und lange andauern.“ Und für Baden-Württemberg konkretisiert der Arbeitgeberverband Südwestmetall: „Alle, die keine neuen Produkte haben, werden Probleme bekommen.“ Das sind „15 – 20 Prozent“. Ihnen droht „Gesund-schrumpfen, Verschwinden, Insolvenz“. (SZ, 12.8.19)

Ministerpräsident Kretschmann (Grüne) fordert von der Bunderegierung „einen Plan“. Die IG Metall-Führung fordert, wie für die gesamte betroffene Metallindustrie, ein erweitertes Kurzarbeitergeld plus Qualifizierung, im Wesentlichen finanziert aus der Arbeitslosenkasse der Arbeitnehmer. Was, wie sie selbst betont, nicht ausreichen wird. (s., „Soziale Politik & Demokratie“, Nr. 416, S. 3-4)

Das wissen auch die Kollegen, die die Verteidigung jedes Arbeitsplatzes wollen. Mit mehreren Demonstrationen – zum Teil während der Arbeitszeit – haben die Kollegen des Kolbenherstellers Mahle in Stuttgart schon gegen die geplante Schließung des Werkes in Öhringen (240 Arbeitsplätze) und Stellenstreichungen in Stuttgart protestiert. Sowie gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer.

Zwar wollen Betriebsrat und IG Metall nach alter Gewohnheit das Verschwinden von Arbeitsplätzen durch den Kampf für den Schutz gegen betriebsbedingte Kündigungen bis 2025 „sozialverträglich gestalten“. Aber zugleich fordern die Kollegen vom Unternehmen einen Investitionsfonds für die technologische Umrüstung der Betriebe und einen Qualifizierungsfonds für die Weiterbildung der Belegschaft. Das kann nicht nur die Sache eines alleinigen Unternehmens und sollte nicht bloß ein zahnloser Appell sein und bleiben.

Die hochkonzentrierten Industriebetriebe mit hochorganisierten Belegschaften in diesem Land fordern geradezu die Organisierung und Mobilisierung der gesamten Kampfkraft der Metaller heraus. Und das auf der Grundlage der Durchbrechung des „offiziellen“ Streikverbots durch den Arbeitskampf für die Verteidigung aller Arbeitsplätze und Standorte. Kein Arbeitsplatz darf wegfallen, ohne dass ein neuer mit 120 %iger gleicher Qualität und gleichen Standards bereitgestellt wird.

Auf dieser Linie werden die obigen Forderungen der Kollegen konkretisiert: Einrichtung eines Investitions- und Qualifizierungsfonds durch die Metallunternehmen des Landes, um diese Forderung zu verwirklichen.

Es wird höchste Zeit, in der IG Metall diese Diskussion über diese Fragen voranzubringen.

Carla Boulboullé/Gotthard Krupp

 

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