Landtagswahl in Bayern: Erneuter Absturz der Parteien der Großen Koalition

Die CSU stürzt gegenüber 2013 um 10,5%-Punkte ab. Sie ist unfähig zur Fortsetzung ihrer traditionellen Alleinregierung in Bayern, die immer eine wichtige Stütze für die CDU-geführten Bundesregierungen war. Die SPD halbiert ihre Wählerstimmen und holt mit 9,7 % das schlechteste Ergebnis aller Landtagswahlen seit 1946.

Die Verfallskrise des Parteiensystems der BRD, das sich seit der Nachkriegszeit auf das Zusammenspiel in der alternierenden Übernahme von Regierungsführung und Opposition durch die bürgerlichen Unionsparteien und die historische Arbeiterpartei stützte, und die politische Stabilität der parlamentarischen Demokratie garantierte – bis Schröder ab 2003 mit seiner Agenda-Politik die SPD in einen Selbstzerstörungsprozess trieb – hat nun auch den Landtagswahlen in Bayern ihren Stempel aufgedrückt.Auf jeden Fall produziert die Niederlage der Großen Koalitionsparteien eine weitere Zuspitzung der Krise der Regierung. Alle Führungskräfte sind in Frage gestellt, ob der bisherige bayerische CSU-Ministerpräsident Söder, oder der CSU-Vorsitzende und Innenminister der Großen Koalition Seehofer, ob die CDU-Vorsitzende Merkel und selbst ihre Kanzlerschaft, oder die SPD-Vorsitzende Nahles… sowie das Verbleiben der SPD in der Großen Koalition. Aber alle Führungsapparate sind bemüht, diese Fragen bis zur Landtagswahl in Hessen am 28. Oktober nicht unkontrolliert aufbrechen zu lassen.

Sozial abgelehnt von der gesellschaftlichen Mehrheit und ohne politische Wählermehrheit, schwebt die Große-Koalitionsregierung über einem Abgrund. „Stabile Verhältnisse… schafft die Bayernwahl nicht, weder in München noch in Berlin. Der Wähler hat sich mit machtvoller Stimme für maximal mögliche Unruhe ausgesprochen“, kommentiert der Berliner Tagesspiegel vom 15.10.

Den – noch mehr oder weniger – „etablierten“ Agenda-Parteien ist gemeinsam, von der fortgesetzten Agenda-Politik als entscheidender Ursache für die immer ungeduldigere Ablehnung abzulenken, die jetzt auch die CSU und SPD in Bayern getroffen hat.

Zur Rettung seines Postens als Ministerpräsident der bayerischen Landesregierung verweist Söder vor allem auf die Konflikte zwischen CDU und CSU in der Großen Koalition und auf die Rolle, die Seehofer darin gespielt hat. Ungerührt spricht er von einem Wählerauftrag an sich und die CSU und von ihrer Verantwortung dafür, dass „das Land stabil und regierbar bleibe“ und will zügig an die Bildung einer bürgerlichen Koalitionsregierung gehen. Das provoziert postwendend den Widerspruch von CSU-Kommunalpolitikern, die der Parteiführung Vernachlässigung der Probleme der Wohnungsnot und Alters- wie Kinderarmut, des fehlenden Personals an Krankenhäusern und Schulen, des Kaputtsparens der sozialen und staatlichen Infrastruktur vor allem in den ländlichen Bereichen vorwerfen.

Seehofer will (noch?) nicht zurücktreten und seine Hetzkampagne gegen die Flüchtlinge fortsetzen. Merkel spricht nur noch in Blasen von der „Wiederherstellung des Vertrauens der Wähler“ und wiederholt ihre Forderung der gemeinsamen Konzentration aller Regierungsparteien auf das Weiter so mit der Agenda-Politik. Dazu gehören die neuen Erpressungsaufträge, die politische Korruption durch die Großkonzerne z.B. zur Abwälzung der Kosten der Diesel-Affäre und der Elektro-Mobilitätswende auf die Arbeiter in Form von Arbeitsplatzvernichtung und auf den Staatshaushalt, für üppige Milliardenpakete zur Förderung von „Entwicklung, Forschung und Digitalisierung“.

Die Grünen verdanken die Verdoppelung ihres Stimmenanteils auf 17,5% neben dem Gewinn von CSU-Wählern der städtischen Mittelschichten, die den fremden- und flüchtlingsfeindlichen Kurs der CSU verurteilen, vor allem dem massiven Zulauf (220000) von SPD-Wählern gerade aus der Arbeiterschaft, die damit gegen die SPD-Politik in der GroKo protestieren wollen.

Das Wegbrechen der Arbeiterwählerbasis konzentriert für die SPD den Zerstörungsprozess als traditionelle Arbeiterpartei. Umso provozierender, nicht nur für die SPD-Mitglieder, sondern für die Millionen Gewerkschaftsmitglieder und die gesamte Arbeiterschaft, muss deshalb das nur noch als zynisch zu charakterisierende Bemühen von Nahles wirken, die betrügerischen Korrekturen an der Agenda durch die GroKo als Wohltaten im Interesse der Arbeitnehmer*innen zu verkaufen.

Unter dem Druck der sich mehrenden Stimmen in der SPD, die sowohl den Verbleib der SPD in der GroKo wie auch die Vorsitzende Nahles infrage zu stellen, erklärt diese, dass der SPD-Vorstand Anfang November im Lichte der Ergebnisse in Bayern und Hessen über das Schicksal der Koalition entscheiden werden.

Dabei bemüht sie sich, die Ursachen für den Absturz der SPD auf die „schlechte Performance” der Großen Koalition zu schieben, deren „viele guten Leistungen“, „um das Leben der Leute besser zu machen“ von dem Richtungsstreit innerhalb der Union völlig überlagert werde.

Sie appelliert an die SPD, alles auf „Power“ zu setzen für Themen wie „Wohnen oder gerechte Arbeit!

Wohnen? Alle Maßnahmen der GroKo gegen die Wohnungsnot kommen bei der Bevölkerung als Explosion der Mieten und der Profite für die Immobilienspekulanten an. Gerechte Arbeit“? Das „Teilhabechancen“- Gesetz wie auch das Einwanderungsgesetz zementieren vor allem den Niedriglohsektor (s. auch Artikel S. 10). Das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz wird keine neue Stelle an den Krankenhäusern schaffen. Vielmehr werden Privatisierungen sowie Betten- und Personalabbau vorangetrieben.

Wen kann Nahles noch täuschen? Es ist unvergessen, dass der Versuch, unter dem Etikett von angeblichen „Korrekturen“ die Agenda-Politik verschärft fortzusetzen, schon Gabriel im Januar 2017 den Kopf gekostet hat.

In der Hoffnung auf 40.000 Teilnehmer haben sich SPD- und Gewerkschaftsführungen in einem Bündnis mit hunderten Organisationen der Zivilgesellschaft, kirchlichen Vereinen, NGOs… für die Demonstration zur Einheit aller Demokraten gegen Rechts und Ausgrenzung am 13. Oktober engagiert. Doch dieses Ablenkungsmanöver wurde zum Bumerang. Überraschend für alle haben 240.000 die Demo ergriffen, um ihrer Ablehnung der Agenda-Politik der GroKo Ausdruck zu geben:

Gefordert wurden mehr Personal in Krankenhäusern und Pflege, bezahlbare Wohnungen für alle, Nein zur Verarmung, mehr Mittel zur wirklichen Integration der Flüchtlinge…. Die streikenden Kolleg*innen von Ryanair demonstrierten für ihr Forderungen im Tarifkampf.

Zwingender denn je gibt es nur einen Ausweg aus dem Selbstzerstörungskurs der SPD: Raus aus GroKo, um mit der verhassten Agenda-Politik zu brechen! Und das kann wohl kaum geschehen unter dem alten Agenda-Führungsapparat der Partei.

Carla Boulboullé

 

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