Erklärung an die Delegierten des SPD-Parteitags: Nein zu den Koalitionsverhandlungen Nein zur Großen Koalition

Im Widerstand gegen die Zerstörung der historischen Errungenschaften unseres Sozialstaates durch die Agenda-Politik haben wir uns mit zahlreichen engagierten GewerkschafterInnen und SozialdemokratInnen in einem Offenen Brief an den SPD-Bundesparteitag im Dezember 2017 gewandt und die Delegierten zum Nein zu einer erneuten GroKo aufgerufen.

Die vorliegenden Ergebnisse der Gespräche der Führungen von CDU, CSU und SPD bekräftigen die damaligen Befürchtungen. Die Schuldenbremse/Schwarze Null und das Ultimatum der Förderung der „Wettbewerbsfähigkeit“ der Profite und Rendite, gleich ob Privatwirtschaft oder öffentlichen Sektor (also auch die Bereiche der Daseinsvorsorge), bedeuten die Fortsetzung der Agenda-Politik. Schon die zweite Groko hatte diese zu den Rahmengesetzen ihres Regierungsprogramms erhoben. Sie werden als gemeinsames Fundament für das „Weiter so“ auch der neuen GroKo bekräftigt.

Auf der Basis einer verschärften Schuldenbremse infolge der Senkung der Einnahmen, des Verzichts auf die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und einer höheren Besteuerung der Reichen – das ist nicht „mehr Gerechtigkeit“ – sowie durch die geplante Erhöhung der Rüstungskosten.

Darum rufen wir jetzt die Delegierten des a.o. SPD-Bundesparteitags auf:  Stimmt mit Nein zu den Koalitionsverhandlungen für eine GroKo!

Nein zu einem Weiter so „derselben Koalition mit derselben Politik“ – entgegen „dem klaren Wählervotum“, wie es der Landesvorsitzende der Berliner SPD, Michael Müller, formuliert hat.

Nein zu einem Weiter so mit dem Diktat der Schuldenbremse und Schwarzen Null:

Nein zur „Fortsetzung der kommunalen Programme“ wie bisher, wohinter die Fortsetzung der Kaputtsparpolitik gegen die Kommunen versteckt werden soll – bei gleichzeitiger Privatisierung der notwendigen Infrastruktursanierung.

Nein zur Verweigerung der Finanzierung der 162.000 zusätzlichen Stellen, wofür die KollegInnen der Krankenhäuser mit ihrer Gewerkschaft kämpfen.

Nein zur Fortsetzung des Herausbrechens immer größerer Teile der Belegschaft aus dem Tarifvertrag, des Bettenabbaus, der Privatisierung und Schließung von Krankenhäusern. Für die so weggesparten Stellen reicht vielleicht das „überflüssig“ gewordene Personal aus, um damit eine „Mindestpersonalbesetzung“ zu verordnen, wofür die Sondierer ein vages Versprechen geben.

Nein zur weiteren Abwälzung von immer mehr Kosten auf Patienten und Beitragszahler, wofür die Wiederherstellung der Parität bei den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung als Trostpflaster herhalten muss.

Nein zur Verweigerung der staatlichen Finanzierung des öffentlichen Bildungssystems, der Kitas, Schulen und Universitäten unter dem Zwang der Schuldenbremse.

Nein zur Vermehrung eines prekarisierten Aushilfspersonals bei Erziehern und Lehrenden an Schulen und Hochschulen.

Nein zur Auslieferung der Schulen an Finanzspekulanten im Namen einer „Investitionsoffensive“; Nein zur Förderung von Privat-Kitas und Konzernfinanzierung an Universitäten.

Nein zur Ausweitung der Altersarmut in Folge der beabsichtigten Absicherung des Rentenniveaus auf 48%. Darüber kann auch das vage Versprechen einer Verbesserung der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht hinwegtrösten. Diese Armutsrente für viele und erst Recht eine eventuelle „Grundrente“ verstoßen in unserer Gesellschaft gegen die vom Grundgesetz geschützte Würde des Menschen.

Nein zur fortgesetzten Hartz-IV-Maschinerie, die laufend qualifizierte und tariflich geschützte Arbeitskräfte in prekäre und rechtlose Billigjobs zwingt. Eine Milliarde mehr für die 4 Jahre von 2018 bis 2012 sollen für Qualifizierungsmaßnahmen vorgesehen werden. Angesichts der Milliardenkürzungen bei Programmen für Arbeitslose, sowie des 5,5 Milliarden-Überschusses durch Einsparung bei Leistung und Personal, klingt das wie Hohn in den Ohren der Betroffenen und des hoffnungslos überarbeiteten Personals.

Nein zum Ausfall einer sozialen Wohnungspolitik, der die Probleme der Wohnungsnot ignoriert, denn der staatlich finanzierte soziale Wohnungsbau bleibt liquidiert. Für die „öffentliche Förderung“ des „sozialen Wohnungsbaus“ wird weiterhin eine völlig unzureichende Summe für die Jahre 2020/21 angegeben.

Nein zur weiteren Förderung der Tarifflucht jeder Art aus den gewerkschaftlich garantierten allgemeinverbindlichen Flächentarifverträgen: Von Leiharbeit und Werkverträgen über Auslagerung und Privatisierung bis zum Scheinselbständigen und Clickworkern. Die Durchbrechung der historischen Errungenschaft der Arbeiterbewegung, der gesetzlichen 40-Stunden-Woche und des 8-Stunden-Tages, im Namen der Flexibilisierung der Arbeit wagen die Sondierer nur vorsichtig anzudeuten.

Nein zum verschärften Druck und zur Schwächung unserer unabhängigen Gewerkschaften.

Nein zur Fortsetzung der Agenda-Politik gegen die Völker in Europa, der EU.

Nein zu weiteren „Hilfszahlungen“ an die Finanzgläubiger, worüber dem Bundestag die demokratische Kontrolle entzogen werden soll. Warum das Verschweigen der kommenden horrenden Haushaltsbelastungen aus dem Brexit und der Euro- und Banken-Rettungspolitik der EZB?

 Das ist das Weiter so mit der Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeit und der Vertiefung der sozialen Spaltung der Gesellschaft.

Trotz aller „Korrekturen“ hat die tiefe Ablehnung der Bevölkerungsmehrheit dieser Politik den drei Parteien eine historische Wahlniederlage verpasst und besonders die SPD, die historische Partei der deutschen Arbeiterbewegung, in ihrer Existenz erschüttert. Auch mit den neuen meist trügerischen Korrekturen werden die drei Parteien damit scheitern, den zerstörerischen Inhalt ihrer neuen Agenda-Politik vor der Bevölkerungsmehrheit zu verschleiern.

Und doch droht die SPD-Führung, die schon den langjährigen Zerstörungsprozess der Partei zu verantworten hat, diese mit ihrem Drängen in eine erneute GroKo einem selbstmörderischen Abenteuer auszuliefern. Und sehenden Auges treiben die drei Parteiführungen die parlamentarische Demokratie und das traditionelle Parteiensystem in eine zugespitzte Krise und säen die Saat für einen Neuaufschwung der rechtsextremen Bewegung um die AfD.

Getragen von der Ablehnung der Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung und von dem anschwellenden Nein in der SPD, rufen wir die Delegierten des SPD-Bundesparteitags auf:

Stimmt mit Nein zu den Koalitionsverhandlungen – Nein zur GroKo!

Mit dem Nein zur GroKo können die Delegierten des SPD-Parteitags den Weg bahnen für die authentische politische Interessensvertretung der Forderungen der arbeitenden Bevölkerung, für die Verteidigung und Wiederherstellung des Sozialstaates und der Demokratie.

Und das wird ArbeitnehmerInnen, Jugend und Demokraten in Deutschland und in Europa eine politische Perspektive aus dem allgemeinen sozialen und politischen Niedergang eröffnen.

Gerlinde Schermer (SPD, Bundesparteitagsdelegierte); Gotthard Krupp, (SPD, Landesvorstand der AfA Berlin);

und weitere Unterzeichner aus SPD und DGB-Gewerkschaften

 

 

 

 

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