Tarifrunde in Zeiten des Krieges und des sozialen Krieges

Unter dem Kommando des US-Imperialismus betreiben die Nato, die Regierungen Europas die Eskalierung des Krieges.

Das führt im Zuge der gewaltigen Aufrüstungswelle zur Umwandlung der zivilen Produktion in eine Kriegswirtschaft. Damit handelt Scholz im Sinne der Entwicklung Deutschlands zur Führungsmacht der Nato in Europa.

Ultimativ verlangt Selenskyj 500 Milliarden für die Weiterführung des Krieges. Davon soll Deutschland allein 50 Milliarden Euro beitragen.

Pistorius, Kriegsminister der Regierung Scholz, fordert schon 10 Mrd. € jährlich mehr für den Kriegshaushalt. Die Regierung fördert den Aufbau einer Panzerfabrik von Rheinmetall in der Ukraine. Entsprechend der Beschlüsse des Treffens auf der US-Basis Ramstein am 21. April ermöglicht die Regierung jetzt die Lieferung der bisher verweigerten Kampfjets und des Raketenabwehrsystems Patriot.

Die Kosten des Krieges zahlen alle Völker Europas mit Verarmung und Abbau bzw. Zerstörung der sozialen und demokratischen Errungenschaften. Der Krieg nach außen wird begleitet von dem sozialen Krieg nach innen.

Lindner fordert neue Spardisziplin der Ampel-Koalition

Angesichts der Tatsache, dass „die Inflation sehr hoch ist und sehr wahrscheinlich für mehrere Jahre hoch bleibt“, fordert der IWF für Deutschland ein schärferes Spardiktat, im Namen der Haushaltskonsolidierung (Handelsblatt).

Gita Gopinat, Vizechefin des IWF, weist die betrügerischen Scholz-Versprechungen eines „grünen Wirtschaftswunders“ zurück (siehe „Soziale Politik & Demokratie“, Nr. 486).

Der IWF empfiehlt, die Krisenlasten auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen; Haushaltsdisziplin und Arbeitslosigkeit sollen aus der Krise führen. Bundesfinanzminister Lindner sieht sich bestätigt. Er fordert am Osterwochenende eine neue Spardisziplin der Ampel-Koalition ein: Lücken im Haushalt 2024 müssten „durch Verzicht“ gestopft werden, sagte er der Rheinischen Post.

In der letzten Nummer unserer Zeitung haben wir Beispiele des Zusammenbruchs als Folge der Verschärfung des sozialen Kriegs gegen das Volk und den Sozialstaat zitiert (s.S. 3-4 in der aktuellen Ausgabe). Neueste Regierungsmaßnahmen sind Habecks „Wärmepumpen“. Die Mieter zahlen die Zeche, kritisiert der Deutsche Mieterbund, während die Eigentümer vom „Klimaboni“ profitieren können. „Der Kabinettsbeschluss ist sozial unverträglich“ (Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele). Und Lauterbach erhöht die Krankenkassenbeiträge auf einen Rekordwert; ab Juli steigen die Pflegebeiträge; für Millionen Rentner*innen, deren Kinder erwachsen sind, wird es besonders teuer.

Tarifergebnis: Scholz-Regierung diktiert Reallohnverlust…

Wie schon im Tarifkampf ÖD Länder 2021 ist es das Ziel der Bundesregierung, ein Lohndumping-Diktat aufzuzwingen.

Das prägt den Schlichterspruch: Kein Ausgleich des zu erwartenden Reallohnverlustes angesichts der weiter sehr hohen Inflation. Schon 2022 sanken die Reallöhne gegenüber 2021 um durchschnittlich 4,1 Prozent. Gegenüber dem Vorjahresmonat verteuerten sich vor allem die Lebensmittel um 22,3 %.

Scholz will eine erneute Abspeisung mit Einmalzahlungen, d.h. Almosen-Boni. Denn er will damit tabellen- und rentenwirksame Lohnerhöhungen bekämpfen. Das ist ein tiefgreifender Angriff auf die historische Errungenschaft des allgemeinverbindlichen Flächentarifvertrags (Rückgrat des Sozialstaates) in Deutschland. Und es sollte die organisierte Kampfkraft der Gewerkschaften schwächen. Man kann sagen, dass Scholz – im Rahmen der Entwicklung einer Kriegswirtschaft und zugunsten einer staatlicher Lohnfestsetzung – weg will von den durch die Tarifautonomie garantierten Abschlüssen von Flächentarifverträgen.

… über das „vergiftete Geschenk“ von Einmalzahlungen

Zu Recht hat der ver.di-Vorsitzende Wernecke die Einmalzahlungen als ein „vergiftetes Geschenk“ zurückgewiesen. Denn sie sind nicht tabellenwirksam, „das heißt sie erhöhen nicht die Ausgangsbasis für künftige Tariferhöhungen und mindern so dauerhaft die (Tarif-)Lohnentwicklung und die Kaufkraft“ (Werneke).

Die ver.di-Führung hatte dann aber (praktisch wegweisend für das ÖD-Tarifergebnis) für den Tarifabschluss bei der Post Einmalzahlungen akzeptiert. Bei den Postkolleg*innen, die das mit Reallohnverlust bezahlen, stieß das Tarifergebnis auf große Ablehnung. Aus dem gleichen Grund gibt es eine starke Ablehnung des Schlichterspruchs bei den Kolleg*innen im Öffentlichen Dienst.

In einer machtvollen Streikwelle, die einen Höhepunkt in dem von ver.di und EVG gemeinsam organisierten Großstreiktag fand, dem stärksten seit 31 Jahren, zeigte sich die Entschlossenheit der Kolleg*innen für einen wirklichen Reallohnausgleich zu kämpfen. 500.000 waren in den Streiks mobilisiert, über 80.000 neue Mitglieder hat ver.di in diesen Kämpfen gewonnen.

Die von der ver.di-Führung vorschnell abgebrochene Streikwelle führte zu einem gemischten Ergebnis des Schlichtungsverfahrens. Mit dem Sockel von mindestens 340 Euro monatlich kann ein Reallohnverlust weitgehend begrenzt werden.

Die ver.di-Führung stellt aber selbst fest, dass mit dem Schlichterspruch, auch in Hinblick auf die Nullrunde für 2023 und die lange Laufzeit von 24 Monaten der Reallohnverlust von 2022 nicht ausgeglichen wird und dass die Einmalzahlung erneut akzeptiert werden muss.

Die Streiks sind auch eine Antwort auf die – zynische – Argumentation der Bundesregierung, die ihren Druck für Lohnverzicht und Reallohnverlust (für die kommunalen Beschäftigten) auch mit dem finanziellen Kollaps der großen Mehrheit der Kommunen zu rechtfertigen versuchte. Für diese Situation der Kommunen ist aber allein die Sparpolitik des Bundes, die auch die Länder trifft und darüber die Kommunen, verantwortlich.

Das gleiche ist der Fall für den zynischen Versuch, Lohnverzicht im Namen der Insolvenz- und Schließungswelle der Krankenhäuser zu rechtfertigen, die durch die Sparpolitik in diese Situation getrieben wurden.

Am 14. Mai trifft die Bundestarifkommission ihre Entscheidung. Inzwischen preist die ver.di-Führung das Ergebnis des Schlichterspruchs als eine Lohnerhöhung bei den unteren Einkommen von 13 bis über 16 % an. Werneke spricht von der „größten Tarifsteigerung in der Nachkriegsgeschichte im öffentlichen Dienst“.

Das ist schlichtweg eine Lüge, um über die Realität des erneuten Reallohnverlustes für die große Mehrheit der Kolleg*innen und den Angriff auf den Flächentarifvertrag durch Einmalzahlungen hinwegzutäuschen.

Die Diskussion der Kolleg*innen steht im krassen Widerspruch dazu. Beispiele aus Betrieben und Krankenhäusern, Diskussionen der Tarifdelegierten… (s.S. 5-9 in der aktuellen Ausgabe) zeigen, dass große Teile der organisierten Kolleg*innen wie in Berlin gegen die Annahme des Schlichterspruchs sind und hohe Bereitschaft für die Fortsetzung des Streiks zeigen .

Für die EVG ist das im öffentlichen Dienst vorgesehene Ergebnis erst gar keine Verhandlungsgrundlage, vor allem nicht die Einmalzahlung.

Die Kolleg*innen der EVG haben das Angebot des Bahnvorstandes abgelehnt und sind weiter streikbereit. Insgesamt haben sich 50 Unternehmen am Warnstreik am 21.4. beteiligt. Weit über 25.000 Kolleginnen und Kollegen waren bundesweit im Ausstand. An über 1.900 Standorten wurden Aktionen durchgeführt. Der Bahnverkehr war weitgehend lahmgelegt. Ende April hat die EVG mit der massiven Ausweitung der Warnstreiks bei der Deutschen Bahn gedroht.

Die Gewerkschaft Verdi hatte ihrerseits die Beschäftigten einiger Verkehrsunternehmen, die mehrheitlich öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf Straße und Schiene sowie Schienengüterverkehr betreiben, für Mittwoch, 26. April, zu Warnstreiks aufgerufen.

Weder die Kolleg*innen im Öffentlichen Dienst, noch die bei der Bahn, noch die in den Kampf getretenen Kolleg*innen der Verkehrsbetriebe, für die der Eisenbahn-Tarifvertrag (ETV) gilt, werden durch die dargestellten Erfahrungen im Öffentlichen Dienst in ihrer Kampfbereitschaft geschwächt. Ihre Orientierung konzentriert sich weiterhin auf erfolgreiche Kämpfe für die Verteidigung und Erhöhung des Reallohns, wie z.B. der Hafenarbeiter im Sommer 2022.

Carla Boulboullé

Aus: Soziale Politik & Demokratie Nr. 487 vom 4. Mai 2023

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