Immobilienhaie stoppen – „Verfassungswidrig“

Erklärung des Arbeitskreis gegen Deregulierung und Privatisierung  – Für unabhängige Arbeitnehmerpolitik

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 15. April 2021 den Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt. Das Landesgesetz sei nichtig, da das Mietpreisrecht auf Bundesebene geregelt werde.

Tatsache ist, dass die Politik des Bundes verantwortlich ist für die Wohnungsnot und die in deren Folge die horrenden Mietsteigerungen, sowie für das Verschwinden von Sozialwohnungen und bezahlbaren Wohnungen.

Unter dem Druck der mit der Agenda-Politik diktierten Sparpolitik und ihrer Festschreibung der Schuldenbremse in die Verfassung haben alle etablierten Parteien auf Bundes- und Landesebene nicht nur dem sozialen Wohnungsbau endgültig das Aus erklärt. Sie haben mit der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung die Privatisierungswelle von Wohnungsbeständen aus Bundes- und Landeseigentum und den Verkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften begründet und damit den Wohnungsmarkt an Immobilienspekulanten und Fonds ausgeliefert, die in ihrer Renditejagd zunehmend nach Immobilien greifen.

Unter dem Druck der Wohnungsnot in der Nachkriegszeit führte die erste Bundesregierung eine Wohnungszwangsbewirtschaftung ein.

In den 1980er Jahren wurde Miet-Wohnraum immer mehr zu einer kapitalistisch verwerteten Ware.  Ab 1989 fiel Berlin als letzte bundesdeutsche Stadt aus der Mietpreisbindung. Vor allem seit der Jahrtausendwende verschärfte sich der Wohnungsmangel in den Metropolen. Die damalige Große Koalition unter Merkel reagierte auf die zunehmend katastrophale Entwicklung der Wohnungsnot mit der Einführung der Mietpreisbremse 2015, die 2018 etwas „nachgebessert“ wurde. Diese Mietpreisbremse hat die Mieten nicht gebremst. Die GroKo hat der Renditejagd der Immobilienhaie weitgehend freie Hand gelassen, mit der Folge weiterer Mietsteigerungen und wachsender Wohnungsnot.

In großem Stil verramschte der Berliner Senat besonders unter der SPD/PDS-Koalition Wohnungen an die Großkonzerne. In keiner anderen deutschen Metropole sind die Mieten in den Jahren vor der Einführung des Mietendeckels so stark gestiegen wie in Berlin. Dabei liegt hier das Durchschnittseinkommen weit unter dem anderer Städte und ein großer Teil der Berliner bezieht staatliche Hilfe.

Im Frühjahr 2019 gingen Hunderttausende in vielen Städten Deutschlands gegen die unerträgliche Wohnungsnot auf die Straße. Die Berliner Initiative für „Deutsche Wohnen & Co enteignen“, welche die Enteignung der privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen mit über 3000 Wohnungen im Land Berlin fordert, stieß mit ihrem Vorschlag für ein Volksbegehren sofort auf große Resonanz.

In diesen Bewegungen drückt sich die Wut breitester Bevölkerungsschichten über die Immobilienspekulanten aus, die für Wohnungsnot und Mietpreisexplosion verantwortlich sind.

Da sich die Mietpreisbremse des Bundes als bloße Augenwischerei erwiesen hat, die Wohnungsnot aber immer untragbarer wurde, beschloss der rot-rot-grüne Senat den Mietendeckel, der in den meisten Wohnungen (1,5 Millionen) den Mietwucher für fünf Jahre begrenzen sollte und tatsächlich ein erster wichtiger Schritt war, um diesen einzudämmen.

„Verfassungswidrig“! lautet das Urteil des Bundesverfassungsgericht.

Das Urteil ist bestimmt vom Respekt der Richter vor dem Recht auf kapitalistisches Privateigentum, in diesem Falle für die großen Wohnungskonzerne, Immobilienspekulanten und Fonds. Ausgerechnet das Bundesverfassungsgericht liefert hier ein Beispiel für Klassenjustiz und verstößt zugleich gegen klare Grundsätze der Verfassung, des Grundgesetzes, das in Art. 14,2 sagt, „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Und das GG erklärt die Enteignung als Recht und Pflicht, wenn das Privateigentum nicht dem Gemeinwohl nutzt. (GG Art. 14,3)

Wie die Vonovia und Deutsche Wohnen den „Dienst am Allgemeinwohl“ verstehen, spiegelt sich in folgenden Fakten: Großzügig verkündet Vonovia, dass sie auf bis zu 10 Millionen Euro auf Mietnachzahlungen verzichten wollen, während Deutsche Wohnen an den Rückforderungen festhält.

Fakt ist aber auch, dass die Kurse von Vonovia um 2 % gestiegen sind und der Konzern in diesen Tagen 950 Millionen (!) Euro Jahresdividende an seine Aktionäre ausschütten wird. Deutsche Wohnen verbuchte einen Kursgewinn von etwa 10%.

Unmittelbar nach der Verkündung des Urteils gingen in Berlin 15.000 in einer Protestdemo auf die Straße. ver.di und IG Metall beschlossen, auch in den Betrieben für das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“, das u.a. auch von der GEW unterstützt wird, Unterschriften zu sammeln.

Doch die Enteignung der großen Wohnungsspekulanten allein bringt noch nicht die Lösung.

Erstens sieht das Volksbegehren eine „Entschädigung“ für den Fall der Enteignung vor. Sollen den Wohnungskonzernen und Immobilienspekulanten jetzt mit einer Entschädigung“ weitere milliardenschwere Zusatzprofite in den Rachen geworfen werden, nachdem sie mit rücksichtsloser Profitgier den Mietern Milliarden und Abermilliarden abgepresst haben?

Zweitens muss eine Regierung, die das Recht auf Wohnen respektiert, politische Maßnahmen treffen, die eine Senkung der überteuerten Mieten und einen anschließenden längeren Mietenstopp garantieren.

Kann es auf die Renditegier der Wohnungskonzerne und Immobilienspekulanten eine andere Antwort geben als die des staatlichen Eingreifens, um ihnen die Macht zu nehmen, die Mietpreise ungebremst in die Höhen zu treiben, auf Kosten des „Rechts für jeden Menschen auf angemessenen Wohnraum“ (Berliner Verfassung)?

 

Staatlicher Schutz für das Recht auf Wohnen für alle Bürger*innen

Folgende Forderungen könnten z.B. diskutiert werden:

Þ staatliche Mietsenkung (die bezahlbare Mieten erzwingt) und einen Mietenstopp;

Þ staatliche Finanzierung von staatlichem Sozialwohnungsbau auf allen Ebenen;

Þ (nicht nur Förderung des privaten Mietwohnungsbaus);

Þ staatliche Kontrolle der Mietpreise für das Kleingewerbe.

Þ Im Falle des Widerstands von Wohnungskonzernen und Fonds gegen staatliche Eingriffe zum Schutz der Mieter bleibt nur die entschädigungslose Enteignung! (nach GG Art. 14,2)

 

 

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