Scholz verdankte seine Mehrheit in den Wahlen 2021 nicht den Stimmen der Stammwähler der SPD, der Arbeiterschaft. Die traditionelle Arbeiterpartei SPD war in langen Jahren des Niedergangs schon gestorben, sie hatte ihre Arbeiter-Mitglieder und -Wähler verloren. Die verbliebene SPD-Ruine, die Scholz als ihren Kanzlerkandidaten gewählt hat, muss, als Scholz-SPD charakterisiert werden. Sie verstand sich nicht mehr als politische Vertretung der Arbeiterinteressen, noch berief sie sich darauf.
Scholz erhielt die Mehrheit der Stimmen von CDU-Wählern, die in ihm den Garanten der Kontinuität der Merkel-CDU-Politik sahen und die durch die Konzentration der Stimmen auf Scholz einen starken Kanzler gegen die aufsteigende AfD in Stellung zu bringen hofften.
Der soziale Krieg gegen das arbeitende Volk
Der erste Akt der neuen Regierung unter Scholz war die staatliche Einmischung in die vom Grundgesetz garantierte Unabhängigkeit der Tarifverhandlungen der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften mit den Regierungsvertretern als Arbeitgeber im Öffentlichen Dienst. Scholz diktierte einfach Reallohnsenkung.
Kriegswirtschaft und Krieg
Unter dem Gebot der US-Regierung betrieb Scholz jahrelang eine Politik der Zerstörung des Sozialstaats. Er unterwarf sich in Vasallentreue dem Zwang der US-Regierung zur milliardenschweren Aufrüstung und Waffenlieferung an die Ukraine für den Krieg gegen Russland. Aktuell sieht sich Scholz genötigt, durch die Stationierung der atomar bestückbaren, bis tief nach Russland hinein reichenden US-Mittelstreckenraketen direkt den Krieg gegen Russland vorzubereiten. Erstmals nach dem 2. Weltkrieg Deutschland erneut in einem Krieg gegen Russland? Das wird von der Mehrheit der Deutschen – und besonders der Ostdeutschen – abgelehnt.
Der damalige US-Präsident Biden hat einen unerbittlichen Wirtschaftskrieg gegen Europa, und besonders gegen die stärkste Industriemacht Europas, Deutschland, vorangetrieben. Die Sanktionspolitik gegen Russland hat die deutsche Industrie, die von der russischen Energie abgeschnitten wurde, in ganzer Härte getroffen, sowie auch die außerordentlich niedrigen Energiepreise, die Biden der US-Wirtschaft sicherte. Ebenso Bidens milliardenschweres Investitionspaket (IRA) für die Abwerbung der Industrieproduktion aus Europa und Deutschland in die USA. Die Verteuerung des Lebens für die arbeitende Bevölkerung, drastische Preissteigerungen für Lebensmittel, Heizung, Mieten… stürzte ganze Schichten der arbeitenden Bevölkerung und auch der Jugend in die soziale Not.
Die extrem erhöhten staatlich unterstürzten Investitionen in die Rüstungswirtschaft fehlen für die produktive Industrie. Der Umbau zur Kriegswirtschaft fördert den Absturz in die Rezession. Die soziale Konsequenz ist eine Massenverarmung, die auch Teile der Industriearbeiterschaft erfasst.
Widerstand
Das sind die Ursachen für die historische Rekord-Ablehnung (von über 80% der Bevölkerung) für die Regierung Scholz.
Deutschland erlebt die größten Streikwellen zur Verteidigung der Reallöhne, die Zahl der Streiktage allein im Bereich der Gewerkschaft ver.di haben sich vervierfacht. Die zahlreichen Betriebsstillegungen, der Abbau von Arbeitsplätzen und das Diktat zu Lohnsenkungen provoziert Wut in der Arbeiterschaft und neue Kämpfe – wie sie sich jetzt bei VW und in der Metallindustrie schon ankündigen.
Die machtvolle Demonstration am 3. Oktober in Berlin, wie auch die vielen Demonstrationen zur Verteidigung des Existenzrechts des palästinensischen Volkes, zeigen, dass die Bewegung gegen die Kriegspolitik breitere Schichten der Bevölkerung, vor allem aber auch von Gewerkschaftskollegen – gegen das Schweigen ihrer Führungen – erfasst.
Die Rolle der FDP und von Finanzminister Lindner in der Regierung Scholz
Zunächst hat Scholz versucht, alle durch die Kriegskosten erzwungenen Maßnahmen gegen den Sozialstaat, mit dem Hinweis auf notwendige Kompromisse mit der FDP, der vor allem mit dem Finanzkapital verbundenen Partei, zu rechtfertigen. Diese FDP hat in allen letzten Wahlen dramatische Abstürze erlebt. Daraufhin hat Lindner, Parteivorsitzender der FDP und Finanzminister in der Regierung Scholz, bezogen auf die nächsten Wahlen (ursprünglich im Herbst 2025) – auch unter dem Druck der Arbeitgeberverbände – ein Wahlprogramm sozialer Grausamkeiten und der Kriegstreiberei vorgestellt:
Ausweitung der Rüstungswirtschaft und Waffenlieferungen an die Ukraine wie an Israel. Von Arbeitgeberseite wird die Aufstockung des Bundeswehr-Sondervermögens auf etwa 300 Mrd. Euro noch in dieser Legislaturperiode gefordert. Zu bezahlen durch Demontage aller sozialen Errungenschaften, Kaputtsparen der Sozialsysteme. Krankenhäuser, Bildung, Infrastruktur… bis zu Ende, Rentenkürzungen…
Zur gleichen Zeit hat sich die SPD mit Bezug auf die bevorstehenden Wahlen mit Versprechungen sozialer Geschenke und von mehr Friedenspolitik zu Wort gemeldet. (Solche Versprechungen schon vor der Wahl 2021 wurden natürlich nie eingehalten).
In dieser Situation wird in den USA Trump mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Sein Programm für Europa ist klar: Es muss noch mehr Kriegskosten übernehmen, der Nato-Beitrag soll massiv steigen. Seine Drohung einer Verschärfung des Wirtschaftskrieges gegen Europa und vor allem gegen Deutschland durch höhere Zölle und Steuersenkungen in den USA verstärkt den Druck auf die deutsche Regierung, mit allen Errungenschaften aufzuräumen, welche die Arbeiterschaft erkämpft hat, die Gewerkschaften in die Knie zu zwingen und die Flächentarifverträge zu zerstören.
Das ist der Zeitpunkt, wo Lindner die sofortige (!) Umsetzung seines Programms, das für die Wahlen im Herbst nächsten Jahres gedacht war, von Scholz erzwingen wollte. Das konnte Scholz nicht akzeptieren, der bei allen sozialen Einschnitten doch immer vorsichtig darauf bedacht war, keine Erhebungen des Volkes zu provozieren. Das bestimmte z.B. auch sein „Zögern“ mit der Taurus-Lieferung an die Ukraine, die von der Mehrheit des deutschen Volkes abgelehnt wird. Die Umsetzung von Lindners Programm hätte aber genau diese Gefahr heraufbeschworen. Deshalb griff Scholz zum Rausschmiss des Finanzministers.
Und er präsentiert sich als Verteidiger der sozialen Interessen der Bevölkerung. Tatsächlich will er 12,5 Milliarden Euro aus dem Haushalt zur Unterstützung der Ukraine verlagern und dafür die Schuldenbremse durchbrechen – und nicht für Investitionen in Krankenhäuser, Schulen, Infrastruktur. Die Rechnung präsentiert er dann später dem Volk
Neuwahlen?
Was verändern Neuwahlen, für die sich auch Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis (BSW) schon seit längerer Zeit einsetzen? Was ist davon zu erwarten?
Zu erwarten ist, dass durch die Neuwahlen die Parteien CDU/CSU in einer Koalition mit der SPD, oder eventuell der FDP, an die Regierungsmacht kommen und Grüne und eventuell Linkspartei und FDP in der Opposition landen. Die herrschenden Regierungsparteien werden in kritischer Begleitung durch die Oppositionsparteien ihre Politik des Krieges, der sozialen Zerstörung und politischen Unterdrückung noch intensivieren und den autoritären Charakter der Regierung verstärken.
Aber das Wichtigste für die arbeitende Bevölkerung und Jugend wie für gewerkschaftlichen und politischen Kader wird die wahrscheinliche prozentuale Zunahme des BSW sein.
Wir kämpfen für jede Stimme für das BSW!
Die Forderungen der arbeitenden Bevölkerung und Jugendbrauchen eine politische Vertretung für den Kampf gegen die neue Regierung und ihre Politik. Damit Schluss gemacht wird mit der verschärft fortgesetzten kriegstreibenden, sozialzerstörerischen und antidemokratischen Politik.
Carla Boulboullé / Werner Uhde, 12. November 2024
Erscheint in Soziale Politik & Demokratie Nr. 518
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